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Pflichtverteidiger § Voraussetzungen, Bestellung & mehr

Grundsätzlich gilt in einem strafrechtlichen Verfahren die sogenannte Anwaltspflicht, immer dann, wenn ein Angeklagter sich keinen Strafverteidiger leisten kann, wird ihm ein Pflichtverteidiger beigestellt. Im nun folgenden Beitrag möchten wir Ihnen aufzeigen, wann Angeklagte im Strafverfahren Anspruch auf einen Pflichtverteidiger haben, wie dessen Bestellung abläuft und wie lange die Pflichtverteidigung anhält. Zudem erhalten Sie wichtige Informationen rund um diese (für den Täter) kostenfreie rechtliche Vertretung in einem Strafprozess.
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Strafrechtinfo24 Redaktion
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Das Wichtigste in Kürze

Rechtslage zum Pflichtverteidiger

Im deutschen Strafrecht ist festgelegt, dass ein Angeklagter im Zuge eines Strafprozesses in jedem Fall einen juristischen Beistand benötigt. Dies nennt man auch Anwaltspflicht, die sich auf den §140 Strafprozessordnung (StPO) zurückführen lässt. Grundsätzlich wird diese Anwaltspflicht durch die Beiziehung eines Strafverteidigers erfüllt. Doch wenn ein Angeklagter sich diesen nicht leisten kann, so hat er gemäß §141 und 142 Strafprozessordnung (StPO) einen Anspruch auf Pflichtverteidigung, die im Zuge der Bestellung des Pflichtverteidigers beginnt. Weitere wichtige Rechtsgrundlagen der kostengünstigen Vertretung durch einen vom Gericht bestellten Verteidiger beziehen sich auf die Dauer und Aufhebung der Beiordnung (§143 StPO), den Wechsel des Pflichtverteidigers (§144 StPO) oder die Bestellung zusätzlicher Verteidiger.

Bedeutung der Pflichtverteidigung

Die Pflichtverteidigung soll ein ordnungsgemäßes Strafverfahren und eine wirksame Verteidigung ermöglichen, ohne Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Demnach ist das Ziel dieser, dass dem Angeklagten ein fairer Prozess ermöglicht wird – ganz im Sinne des Rechtsstaatlichkeitsprinzips. Dies soll umgesetzt werden, indem ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis geschaffen wird. Unter einem Pflichtverteidiger wird im Strafprozess ein Strafverteidiger verstanden, der durch das Gericht beigeordnet wurde. Das Gegenstück zu diesem ist der selbst gewählte Strafverteidiger. Der Pflichtanwalt wird in Fällen einer sogenannten „notwendigen Verteidigung“ bestellt, sofern der Angeklagte noch keinen Wahlverteidiger hat.

Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigung

Damit ein Pflichtverteidiger bestellt wird, muss ein Fall der sogenannten „notwendigen Verteidigung“ vorliegen. Dabei handelt es sich im Strafrecht um eine Situation, in welcher davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann. Hat der Angeklagte dann keinen selbst gewählten Anwalt, muss zwingend ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Das gilt auch dann, wenn er der Meinung ist, sich selbst verteidigen zu können: Dann kommt es zur sogenannten „Zwangs Verteidigung“. Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt nach §140 Strafgesetzbuch (StGB) vor, wenn:

  • zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
  • dem Angeklagten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
  • das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
  • der Tatverdächtige einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
  • der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
  • zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Tatverdächtigen seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Frage kommt;
  • zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
  • der bisherige Verteidiger durch eine entsprechende Entscheidung vom Verfahren ausgeschlossen ist;
  • dem Verletzten nach ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
  • bei einer richterlichen Vernehmung die Vertretung durch einen Verteidiger auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
  • ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Angeklagter die Bestellung beantragt;
  • die Schwere der Tat, der zu erwartenden Rechtsfolge oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Vertretung durch einen Strafverteidiger geboten erscheint
  • Ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann.
Infografik
Wann wird ein Pflichtverteidiger bestellt?

Bestellung des Pflichtverteidigers

Sind die Voraussetzungen für einen Pflichtanwalt erfüllt, muss dieser spätestens dann bestellt werden, wenn dem Angeklagten die Anklage vom Gericht zugestellt wird und das „Zwischenverfahren“ eröffnet wird. Aber auch im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ist die Beiordnung Bestellung eines solchen Verteidigers möglich, sofern dies von der Staatsanwaltschaft beantragt wird.

Bevor das Gericht einen Verteidiger bestellt, muss der Tatverdächtige die Gelegenheit haben, innerhalb einer gewissen Frist einen Pflichtanwalt seiner Wahl zu bestimmen oder auch einen Wahlanwalt zu nennen. Meist bestellt der vorsitzende Richter dann auch diesen Verteidiger, sofern dem nicht ein wichtiger Grund entgegensteht. Die Anwaltskammern der Länder stellen im Internet eine sogenannte Pflichtverteidigerliste zur Verfügung, die bei der Wahl helfen kann. Dabei muss es sich nicht unbedingt um einen Fachanwalt für Strafrecht handeln: Auch ein Mietrechtsanwalt oder ein Anwalt ohne Fachanwaltstitel kann bestellt werden.

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Sonderregelungen bei Untersuchungshaft
Wenn Untersuchungshaft angeordnet wird, muss der Beschuldigte bereits bei der Vorführung vor dem Haftrichter gefragt werden, ob er einen bestimmten Anwalt als Pflichtverteidiger haben möchte. Kann er keinen speziellen Anwalt nennen, erhält er eine einwöchige Frist zur Benennung.

Welcher Anwalt wird als Pflichtverteidiger bestellt?

Welchen Anwalt das Gericht wählt, unterscheidet sich von Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk. Die meisten Haft- und Strafrichter führen dazu Listen mit Rechtsanwälten, die sich selbst für die Pflichtverteidigungen gemeldet haben. Ob man also einen „guten“ oder einen „schlechten“ Anwalt beigeordnet bekommt, ist wohl eine Mischung aus Glück und Ermessen des Richters. Demnach gibt es sowohl Gerichte, die gute versierte Pflichtverteidiger zustellen, als auch Gerichtsbezirke, die nur solche „Verteidiger“ beiordnen, von denen aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden keine Schwierigkeiten zu erwarten sind. Leider kann dies der Angeklagte oft nicht selbst einschätzen und trägt somit ein erhebliches Risiko.

Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers

Oftmals muss der Pflichtverteidiger nicht selbst beantragt werden. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, beordert das Gericht den Anwalt für den Beschuldigten. Dafür ist kein Antrag durch den Mandanten nötig. In manchen Fällen kann es dennoch sinnvoll sein, einen Antrag auf Beiordnung zu stellen, beispielsweise, wenn das Gericht bestimmte Tatsachen nicht kennt, die eine Beiordnung erforderlich machen. Auch in Grenzfällen, in denen nicht eindeutig ist, ob ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist oder nicht, kann es sinnvoll sein, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

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Dauer und Aufhebung der Pflichtverteidigung

Mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens endet die Beiordnung des Pflichtverteidigers. Sie kann aber auch aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen, in denen der Tatverdächtige in einer Anstalt untergebracht wird, gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus dieser entlassen wurde.

Beruht der Freiheitsentzug in einem solchen Fall auf einem Haftbefehl, soll die Beiordnung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls aufgehoben werden. Spätestens muss dies aber zum Schluss der Hauptverhandlung passieren. Ein dementsprechender Haftbefehl kann entweder zur vorläufigen Festnahme, im beschleunigten Verfahren oder aufgrund eines Ausbleibens des Angeklagten bestehen. Sollte ein Gericht über Haft oder einstweilige Unterbringung entscheiden und der Beschuldigte wird anschließend auf freien Fuß gesetzt, wird die Beiordnung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben.

Pflichtverteidiger wechseln

Wenn Beschuldigte während eines laufenden Ermittlungsverfahrens das Gefühl haben, von ihrem Pflichtverteidiger schlecht verteidigt zu werden, kommt es nicht selten vor, dass sie den Anwalt wechseln möchten. Leider ist der Wechsel des Pflichtanwalts nur sehr eingeschränkt möglich. Die Strafprozessordnung (StPO) sieht grundsätzlich keine Wechselmöglichkeit vor. Einen Anspruch auf Anwaltswechsel hat der Betroffene daher nur, wenn er darlegen kann, dass das Vertrauensverhältnis zum Rechtsanwalt absolut zerrüttet ist. Dafür reicht es allerdings nicht, wenn der Mandant sich nur „schlecht“ verteidigt fühlt: Er muss konkret begründen, weshalb es zum Vertrauensbruch kam.

Auch wenn der Anwalt seinen Mandanten beispielsweise lediglich alle vier bis acht Wochen in Untersuchungshaft besuchen kommt, muss das keinen Verteidigerwechsel rechtfertigen. Sitzt der Mandant hingegen bereits seit zwei Monaten in der Untersuchungshaft und der Anwalt hat ihn bis dato noch gar nicht besucht, sieht das schon etwas anders aus. Ob also die Voraussetzungen für einen Wechsel des Pflichtverteidigers vorliegen, muss jedoch immer im Einzelfall geprüft werden. Eine Möglichkeit, den Pflichtverteidiger „los“ zu werden, ist der Wechsel zu einem Wahlverteidiger. Dazu muss sich der Anwalt bei Gericht für den Mandanten melden und zusagen, die Verhandlungstermine wahrzunehmen. In der Regel setzt das allerdings voraus, dass der Mandant den Anwalt bereits vorab vollständig bezahlt hat.

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Verteidigerwechsel in der Praxis
Wenn das Gericht einen beliebigen Verteidiger gestellt hat und sich beispielsweise der Wunsch-Pflichtverteidiger des Beschuldigten ein/zwei Tage später meldet, kann häufig noch ein Wechsel erreicht werden.

Kosten eines Pflichtverteidigers

Im Gegensatz zur weitverbreiteten Annahme, dass ein Pflichtverteidiger kostenlos sei, ist dies nicht der Fall. So gibt es in Deutschland das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, welches die Anwaltsgebühren regelt. In diesem Gesetz finden sich auch Regelungen für die Gebühren der Pflichtverteidigung, welche weit geringer ausfallen, als die „normalen“ Anwaltskosten. Diese Gebühren kann der Verteidiger direkt bei der Justizkasse abrechnen, von der er auch sein Honorar erhält.

Wird der Mandant dann verurteilt, muss er meist auch die Kosten des Verfahrens tragen, zu denen auch die Kosten der Pflichtverteidigung zählen. Die Staatskasse wird also nach dem Abschluss des Verfahrens all diese Kosten vom Mandanten zurückfordern. Diese Vorgehensweise sorgt also nicht dafür, dass die Verteidigung für den Beschuldigten kostenfrei ist. Sie sorgt allerdings dafür, dass der Anwalt sein Honorar in jedem Fall erhält, auch wenn der Mandant sich dieses vorab nicht leisten kann.

So unterstützt Sie ein Anwalt bei der Pflichtverteidigung

Auch in den Fällen einer Pflichtverteidigung – oder gerade in diesen – ist es wichtig, einen guten Anwalt (für Strafrecht) zu haben. Dieser kann das Verfahren nicht nur entscheidend beeinflussen, sondern auch zu einem fairen Umgang mit dem Beschuldigten und einem gerechten Urteil beitragen. Demnach ist es essentiell, einen kompetenten Rechtsanwalt zu wählen. Sollte kein aus ihrer Sicht entsprechender Verteidiger in der Liste der Pflichtverteidiger vorzufinden sein, ist es ratsam, einen Wahlverteidiger anzudenken.

Auch wenn dieser meist „kostenintensiver“ ist, lohnt sich die eventuell qualitative Rechtsberatung. Immerhin geht es meist mit Pflichtverteidigung um höhere Strafen. Ein unabhängiger Rechtsanwalt, der sich wirklich um Ihre Interessen bemüht, ist daher sein Geld zumeist Wert. Auch wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtanwalts stellen sollten, können Sie hierzu einen Rechtsanwalt befragen. Dieser kann beurteilen, ob ein solcher Antrag sinnvoll ist oder nicht.

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FAQ: Pflichtverteidiger

Unter einem Pflichtverteidiger wird im Strafrecht bzw. im Strafprozess ein Strafverteidiger verstanden, der durch das Gericht beigeordnet wurde. Er wird in Fällen einer sogenannten „notwendigen Verteidigung“ bestellt, sofern der Beschuldigte noch keinen Wahlverteidiger hat.
Damit ein Pflichtverteidiger beigestellt wird, muss ein Fall der sogenannten „notwendigen Verteidigung“ vorliegen. Dabei handelt es sich um eine Verfahrenssituation, in welcher davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann. Hat dieser keinen selbstgewählten Anwalt, muss er dabei zwingend zu einem Pflichtanwalt gestellt werden.
Ja, bevor das Gericht einen Verteidiger gestellt hat, muss der Angeklagte die Gelegenheit haben, innerhalb einer gewissen Frist einen Pflichtverteidiger seiner Wahl zu bestimmen oder auch einen Wahlanwalt zu nennen. In den meisten Fällen bestellt der vorsitzende Richter dann auch diesen, sofern dem nicht ein wichtiger Grund entgegensteht.
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