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Wirtschafts­strafrecht § Besonderheiten, Wirtschaftsstraftaten & mehr

In den letzten Jahren hat das Wirtschaftsstrafrecht weiter an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile interessiert sich nicht mehr nur die Fachwelt für wirtschaftsstrafrechtliche Delikte, sondern auch die breite Bevölkerung und damit auch die mediale Berichterstattung. Diese Entwicklung ist nicht nur auf die Veränderungen in der Wirtschaft zurückzuführen, sondern auch politische Pläne zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts bzw. eines Rechts der Verbandssanktionen. Mit der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen die Unternehmen aber auch unter einem größeren Druck, weshalb jegliche Kollision mit dem Wirtschaftsstrafrecht unbedingt vermieden werden sollte. Wie sich dieser Bereich des Strafrechts gestaltet, welche Besonderheiten es gibt und welche Strafen drohen, erfahren Sie in diesem Artikel.
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Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze

Rechtslage des Wirtschaftsstrafrecht

Die wesentliche Grundlage für das deutsche Wirtschaftsstrafrecht ist, wie bei den meisten Straftaten, das Strafgesetzbuch (StGB). Darin sind nicht nur die allgemeinen Begriffe und gültigen Gesetze festgehalten, sondern auch spezielle Straftaten und Delikte, die den wirtschaftlichen Bereich betreffen bzw. betreffen können. So befasst sich beispielsweise der 22. Abschnitt, § 263 bis §266 b Strafgesetzbuch (StGB), mit Betrug und Untreue. Weitere Straftaten, die die Wirtschaft betreffen, sind in den folgenden Abschnitten zu finden: Abschnitt 23 bis 26 bzw. §§ 267 und 302 Strafgesetzbuch (StGB).

Im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist dafür die Zuständigkeit der Wirtschaftskammer geregelt, die in § 74c GVG zeigt, dass der Staat dem Wirtschaftsstrafrecht eine gesonderte Bedeutung zuspricht. Das Ordnungswidrigkeitenrecht (OWiG) hat ebenfalls Relevanz für das Wirtschaftsstrafrecht, zumal es auch die Unternehmensgeldbuße (Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen) in § 30 Ordnungswidrigkeitenrecht (OWiG) sowie die Gewinn- bzw. Vermögensabschöpfung in § 17 Abs.4 Ordnungswidrigkeitenrecht (OWiG) festhält.

Definition und Bedeutung des Wirtschaftsstrafrechts

Das Wirtschaftsstrafrecht ist ein Teilbereich des allgemeinen Strafrechts. Es befasst sich, wie der Name schon sagt, mit allen Straftaten, die einen Bezug zum Wirtschaftsleben aufweisen. Dazu gehören Delikte wie Betrug, Insolvenzverschleppung, Korruption, Untreue und Geldwäsche. Das Wirtschaftsstrafrecht hat dabei die Besonderheit, dass viele ebenfalls relevante Strafvorschriften in zahlreichen Nebengesetzen und Verordnungen zu finden sind – je nach Branche beispielsweise das Lebensmittel- oder Urheberrecht. Wirtschaftsstrafrechtlich Beschuldigte sind vor allem Geschäftsführer, Gesellschafter und Führungskräfte von Unternehmen.

Zusammenhang mit anderen Rechtsgebieten:

Im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Delikten und Straftaten sind oft nicht nur das Strafrecht sondern auch andere Rechtsgebiet betroffen. So können auch Zivil-, Gesellschafts- und Steuerrecht für den Einzelfall von Bedeutung sein. Aus diesem Grund kann es empfehlenswert sein, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, der sich auch mit diesen Rechtsgebieten auskennt. Dies gilt nicht nur für laufende Ermittlungsverfahren, sondern auch für sämtliche Verfahrensstadien. Da der Staat dem Wirtschaftsstrafrecht eine gesonderte Bedeutung gibt, sollte auch die Verteidigung und Beratung durch den Anwalt auf die Besonderheiten des jeweiligen Wirtschaftsdeliktes angepasst werden.

Internationalen Wirtschaftsstrafrechts

Der Einfluss des internationalen, insbesondere des Europäischen Strafrechts auf das Wirtschaftsstrafrecht in Deutschland wächst stetig. So schützt beispielsweise der Tatbestand des Subventionsbetruges nicht nur das deutsche Haushaltsbudget, sondern auch die EU-Haushalte, etwa vor einer Verwendung der gewährten Sach- bzw. Geldleistungen, die von der Verwendungsbeschränkung nicht oder nicht mehr gedeckt ist. Die strafrechtliche Haftung für Unternehmen wird immer weiter ausgeweitet und strafrechtliche Gesetze und Regelungen werden über die nationalen Grenzen hinaus verankert. Aus diesem Grund arbeiten auch die Ermittlungsbehörden international zusammen.

Häufige Wirtschaftsstraftaten

Beim Gedanken an das Wirtschaftsstrafrecht denken viele vielleicht zuerst an Betrug, Untreue und Korruption. Diese Straftaten werden häufig mit Wirtschaftsdelikten in Verbindung gebracht. Aber beispielsweise auch das Vorenthalten oder die Veruntreuung von Arbeitsentgelt, Kapitalanlagebetrug oder Insolvenzstraftaten fallen unter die Zuständigkeit des Wirtschaftsstrafrechts. Weitere häufige Wirtschaftsdelikte sind mitunter:

  • Bestechung oder Bestechlichkeit
  • Geldwäsche
  • Steuerstraftaten
  • Insiderhandel
  • Marktmissbrauch
  • Verstöße gegen Embargos

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Dichte an Regelungen in diesem Bereich des Strafrechts stark zugenommen. So kann es im Einzelfall zum Beispiel dazu kommen, dass eine Einwirkung auf EDV-Systeme als Computerbetrug in die Zuständigkeit des Wirtschaftsstrafrecht fällt. Zudem hat sich dieser Teilbereich des Strafrechts grundsätzlich verändert. Mit der immer dominanter werdenden virtuellen Welt rücken Wirtschaftsstraftaten im Internet mehr und mehr in den Fokus. So wurde zum Beispiel der Internetbetrug nach und nach zur dominanten Form des Betrugs und verfolgt die Strafverfolgungsbehörden im direkten Vergleich die meisten Betrugsfälle in diesem Tatumfeld.

Infografik
Übersicht der häufigsten Wirtschaft­sstraftaten

Besonderheiten von Wirtschafts­strafverfahren

Das Wirtschaftsstrafverfahren unterscheidet sich in mehreren Faktoren von einem „klassischen“ Strafverfahren. Das liegt unter anderem auch daran, dass das Wirtschaftsstrafrecht aufgrund des technologischen Fortschritts, der zunehmenden Komplexität des Wirtschaftslebens und dem wachsenden (öffentlichen) Verfolgungsinteresse an Bedeutung gewonnen hat. Das wird in der umfangreichen (höchstrichterlichen) Rechtsprechung beispielsweise zur Untreue oder Korruption deutlich, sowie in der Schaffung neuer bzw. der Ausweitung bestehender Strafgesetze.

Meist ist bei einem Verfahren im Wirtschaftsstrafrecht mit einer langen Ermittlungsdauer sowie hoher Komplexität zu rechnen. Ist ein Fall jedoch komplex, bestehen in der Regel aber auch besondere Möglichkeiten für die Strafverteidigung. In Wirtschaftsstrafverfahren ist die Verständigungsbereitschaft im Vorfeld, aber auch in der Hauptverhandlung relativ groß. Bereits der Vorwurf einer Straftat kann die bürgerliche sowie die geschäftliche Existenz des Beschuldigten erheblich gefährden.

Kommt es zu einer Durchsuchung oder der Anordnung von Untersuchungshaft, kann dies gravierende Folgen haben. Über den Weg einer sogenannten Einstellung kann eventuell eine Anklage und öffentliche Hauptverhandlung vermieden und das Strafverfahren ohne Medienberichterstattung, öffentliches Aufsehen und Rufschädigung für den Betroffenen und das Unternehmen abgeschlossen werden.

Beschuldigte erfahren oftmals erst durch eine Durchsuchung von Geschäfts- oder Privaträumen von einem laufenden, strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Dabei werden die ersten entscheidenden Schritte gemacht, die Auswirkungen auf das gesamte Strafverfahren haben können. In diesen Fällen hat der Betroffene ein Schweigerecht. Meist ist es empfehlenswert, dieses auch zu nutzen und keine Passwörter herauszugeben, sondern umgehend einen Rechtsanwalt zu kontaktieren.

Strafrechtliche Folgen im Wirtschaftsstrafrecht

Die Bandbreite der möglichen strafrechtlichen Folgen im Wirtschaftsstrafrecht ist groß. Demnach sind auch die Auswirkungen verschieden gravierend. Sie reichen von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen, aber auch Straf Nebenfolgen wie ein Ausschluss der Geschäftsführertätigkeit nach dem GmbH-Gesetz, ein mögliches Berufsverbot oder die Eintragung in das Korruptionsregister kann vom Gericht in Betracht gezogen werden.

In Deutschland kann sich eine Gesellschaft nicht vergehen. Das bedeutet, Unternehmen haben keine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Viele Strafen beziehen sich direkt auf die Person, die sie begeht, oftmals Geschäftsführer, Manager und Ähnliche. Dennoch können auch die Unternehmen sanktioniert werden. So können diese nach deutschem und europäischem Recht mit strafrechtlichen Rechtsfolgen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen konfrontiert werden.

Unternehmens-Geldbuße

Auch wenn in Deutschland über ein sogenanntes Unternehmensstrafrecht diskutiert wird, können sich Unternehmen bislang nicht strafbar machen. Im Strafverfahren werden derzeit ausschließlich „natürliche Personen“, also Geschäftsführer, Manager oder Vorstände zur Verantwortung gezogen. Eine Unternehmens-Geldbuße kann dennoch verhängt werden. Diese kann in Ordnungswidrigkeiten-Verfahren verhängt werden und ist nicht zu unterschätzen, da sie zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen führen kann. Im Falle einer vorsätzlichen Straftat kann die Unternehmens-Geldbuße bis zu zehn Millionen Euro und im Falle einer fahrlässigen Straftat eine Höhe von bis zu fünf Millionen Euro betragen.

Tatsächlich wird die Unternehmensgeldbuße bei den Ermittlungsbehörden immer beliebter. Grund dafür ist vor allem, dass die Beweisanforderungen geringer sind, als in individuellen Strafverfahren gegen einzelne Beschuldigte. Als begleitendes Instrument kann die Gewinn- bzw. Vermögensabschöpfung neben der Unternehmensgeldbuße gravierende Auswirkungen auf die Finanzen eines Unternehmens haben. Diese sieht vor, dass der wirtschaftliche Vorteil, den das Unternehmen durch die Begehung der Tat erlangt hat, entzogen wird. Dabei kann auch die Grenze der Geldbuße überschritten werden.

Achtung Icon
Folgen einer Unternehmensgeldbuße
Bußgeldentscheidungen werden mitunter in das Gewerbezentralregister eingetragen. Das Gewerbezentralregister nutzen beispielsweise Behörden, um die Zuverlässigkeit von Personen und Unternehmen zu beurteilen, was beispielsweise auch für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen relevant sein kann.

Der Verfall

Wird keine Geldbuße festgesetzt, kann ein sogenannter Verfall zum Einsatz kommen. Dieser sieht die Einziehung des Wertes von Taterträgen, unter bestimmten Voraussetzungen vor. Dabei kann die Verwaltungsbehörde bzw. das zuständige Gericht den Verfall gegen den Beteiligten, der eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, oder gegen einen Dritten, der aus der Ordnungswidrigkeit einen Vermögensvorteil hatte, anordnen.

Beim Verfall handelt es sich aber um eine Kann-Bestimmung, weshalb die Entscheidung individuell getroffen werden muss. Mit dem Einziehen der Vermögenswerte, die ein Täter aus der Begehung einer Tat erlangt hat, soll ihm also der Anreiz genommen werden, eine Straftat zu begehen. Der Verfall ist an sich keine Strafe, strafähnliche Maßnahme oder Maßnahme mit Strafcharakter, sondern eine Maßnahme eigener Art. Demnach setzt er auch keine Schuldhaftigkeit voraus.

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Außerstrafrechtliche Konsequenzen

Eine Besonderheit des Wirtschaftsstrafrechts sind die sogenannten außerstrafrechtlichen Konsequenzen. Kommt es zu einer strafrechtlichen Verurteilung sind die Nebenfolgen für die Betroffenen oftmals viel gravierender und schwerwiegender als die gerichtlichen Sanktionen, wie zum Beispiel Geldstrafen oder Bewährungsstrafen. So ist es beispielsweise möglich, ein Fahrverbot als Nebenstrafe zu verhängen, auch wenn die begangene Straftat selbst eigentlich gar nichts mit dem Straßenverkehr zutun hat. Kommt es zu einer Verurteilung wegen eines Vergehens, welches das Insolvenzstrafrecht betrifft, kann dem Beschuldigten aber auch die Restschuldbefreiung versagt oder die Tätigkeit als Geschäftsführer verboten werden (Registersperre).

Diese „Nebenwirkungen“ sind für die Unternehmen schon mit der Einleitung eines wirtschaftlichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens spürbar, beispielsweise wenn es zu negativen Schlagzeilen in der Presse und den Medien kommt. Nach einer Verurteilung können zudem Schadensersatzforderungen auf die Verurteilten zukommen. Beteiligten, Rechtsanwälten, Notaren oder Steuerprüfern drohen berufsrechtliche Verfahren, in manchen Fällen sogar steuerliche Haftungen. Einem Geschäftsführer einer GmbH, der bestimmte Delikte begangen hat, kann die Eignung zum GmbH-Geschäftsführer für bis zu fünf Jahre abgesprochen werden.

So kann ein Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht helfen

Gerade in Wirtschaftsstrafverfahren ist es wichtig, dass der Anwalt so bald wie möglich eingreift, da auch die Staatsanwälte und Richter in diesen Verfahren besonders hochspezialisiert sind. Er kann den Mandanten auf allen Gebieten des Wirtschaftsstrafrechts sowohl präventiv als auch bei laufenden Straf- und Bußgeldverfahren beraten und weiß auch über die vielfältigen Nebenfolgen einer strafrechtlichen Sanktionierung Bescheid. Die Erfahrung, die der fachkundige Jurist im Umgang mit Behörden und Gerichten hat, ist für Betroffene dabei sehr nützlich. Neben der Unternehmensverteidigung unterstützt der Rechtsanwalt auch bei der Wahrung der Rechte als Geschädigte und setzt die individuellen Interessen gezielt durch.

Auch in Krisensituationen kann ein Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht eine große Unterstützung sein. Egal ob sich ein Unternehmen unerwartet mit einer Hausdurchsuchung, der Sicherstellung von Unternehmensdaten, Mitarbeiter-Festnahmen oder kritischen Medienberichten konfrontiert sieht, berät der Jurist umfassend zu weiteren Vorgehensweisen. Ebenso kann der Anwalt bei der Umsetzung interner Untersuchungen oder der strafrechtlichen Compliance-Beratung behilflich sein. Mithilfe letzterer kann eine behördliche Ermittlung, ein Verfahren und damit auch Strafen schon vorab möglichst vermieden werden.

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FAQ: Wirtschaftsstrafrecht

Neben den naheliegenden Wirtschaftsdelikten wie Betrug, Untreue und Korruption zählen auch das Vorenthalten oder die Veruntreuung von Arbeitsentgelt, der Kapitalanlagebetrug oder die Insolvenzstraftaten zum Wirtschaftsstrafrecht. Bestechung bzw. Bestechlichkeit, Geldwäsche, Steuerstraftaten, Insiderhandel, Marktmissbrauch oder beispielsweise Verstöße gegen Embargos sind ebenso wirtschaftsstrafrechtliche Delikte.
Der sogenannte Verfall sieht die Einziehung des Wertes der Taterträge, unter bestimmten Voraussetzungen vor. Dabei kann die Verwaltungsbehörde bzw. das zuständige Gericht den Verfall gegen den Beteiligten, der eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, oder gegen einen Dritten, der aus der Ordnungswidrigkeit einen Vermögensvorteil hatte anordnen.
Kommt es zu einer strafrechtlichen Verurteilung, sind die Nebenfolgen für die Betroffenen oftmals viel schwerwiegender als die gerichtlichen Sanktionen. So ist es beispielsweise möglich, ein Fahrverbot als Nebenstrafe zu verhängen, auch wenn die begangene Straftat selbst eigentlich gar nichts mit dem Straßenverkehr zu tun hat. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dem Beschuldigten aber auch die Restschuldbefreiung versagt oder die Tätigkeit als Geschäftsführer verboten werden (Registersperre). Auch die Eignung zum GmbH-Geschäftsführer kann für bis zu fünf Jahre abgesprochen werden.
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